Grundschule Kirchdorf im Wald

Bericht

vom 18.03.2024

Mehr Musik, mehr Miteinander

Die Schulen Kirchdorf und March sind „Musikalische Grundschulen“ – Musik ist der rote Faden

Die Mädchen und Buben der Grundschule Kirchdorf toben durch die Aula. Die einen spielen Fangen, die anderen ratschen, die nächsten entspannen auf der Couch. Durch die Geräuschkulisse drängt sich nach und nach Schnipsen und Klatschen. Erst leise und behaglich, dann immer lauter. Je mehr Kinder mitmachen, desto dominierender wird es. Nach der Pause steht am Dienstag Musik auf dem Stundenplan. Wie wichtig die im Schulalltag der knapp 70 Kinder tatsächlich ist, zeigt sich nicht nur in der Musikstunde.

Seit dem Schuljahr 2019/20 trägt die Schule das Zertifikat „Musikalische Grundschule“. Neben den zwei Musikstunden pro Woche – die in der Stundentafel für Grundschulen flächendeckend bisher so vorgeschrieben waren – binden die Lehrkräfte musikalische Elemente in alle Fächer ein. Gedichte werden gerappt, Vokale in Liedform gelernt und im Englischunterricht englischsprachige Lieder gesungen. „Das ist der rote Faden, der sich bei uns durch den gesamten Unterricht zieht“, erklärt Schulleiterin Michaela Ertl-Altmann.

Derweil wird in der Aula das erste Lied angestimmt: die Sepperl-Polka. Abwechselnd im Chor und auch mal alleine singen die Kinder alle Strophen, die ihnen auf die Schnelle einfallen. Freilich aus dem Gedächtnis. „Noten oder Texte brauchen sie nicht. Sie können alles auswendig“, erzählt Ertl-Altmann, selbst etwas erstaunt darüber. Weiter geht’s mit einer Sternpolka – dazu stellen sich alle im Kreis auf. Denn nicht nur Singen gehört im Musikunterricht dazu, auch Tanzen lernen die Buben und Mädchen.

Johanna Wurzer ist in Kirchdorf die Koordinatorin für die „Musikalische Grundschule“ und stellvertretende Schulleiterin. Sie selbst hat im Hauptfach Deutsch, im Nebenfach Musik studiert. Musikalisch sein ist aber keine Pflicht, um Teil des siebenköpfigen Kollegiums an der musikalischen Grundschule zu sein. „Wir machen alle regelmäßig Fortbildungen, aber keiner muss bei uns ein Instrument spielen“, erklärt Wurzer.

Die Resonanz aus dem Kollegium sei durchwegs positiv. Der musikreiche Unterricht mache schlichtweg auch Spaß. „Wir sagen oft, wir könnten gar nicht mehr anders“, schwärmt Ertl-Altmann. „Es ist erwiesen, dass sich durch Musik alles leichter lernt“, weiß die Schulleiterin. Beispielsweise würden die Kinder immens vom Silben-Klatschen im Deutschunterricht profitieren. „Brutal viel“ bringt laut Johanna Wurzer der Einsatz von Musik in allen Fächern. Nicht nur schulisch betrachtet.

Schüler hätten weniger Hemmungen, stattdessen ein gesundes Selbstbewusstsein und  mehr  Selbstständigkeit. Auch sozial punktet die Musik an der Grundschule. „Vergangenes Schuljahr war ein ukrainisches Mädchen an der Schule. Sie hat kein Deutsch gesprochen, aber war recht musikalisch. Die Liedtexte hatte sie innerhalb kürzester Zeit drauf – und hat gleich dazugehört“, erinnert sich Wurzer.

Die ganze Schule hat eine gemeinsame Musikstunde, von der 1. bis zur 4.  Klasse sind alle mit dabei. „Die Kleinen lernen dabei auch viel von den Älteren“, erklärt Ertl-Altmann. Keiner wird ausgelacht, wenn mal ein schiefer Ton dabei ist. „Das ist alles ein schönes Miteinander“, erzählt Wurzer.

Genauso wie an der Grundschule in Kirchdorf  sind auch in March Bewegungspausen fester Bestandteil des Schulalltages. Seit zehn Jahren trägt die Marcher Schule das Zertifikat „Musikalische Grundschule“. In allen vier Klassenzimmern mit den insgesamt 85 Schülern ertönt immer wieder Musik. Der Einsatz dabei ist vielfältig: Ein gesungenes Gebet, das „Lied der Woche“  (gern auch  ein  englischer Song), ein Kinderlied für die Frühblüher im Garten.

Mit Musik lernt es sich leichter, da ist sich das gesamte Marcher Kollegium einig. Einen Tag ohne musikalische Elemente könnte sich an dieser Schule niemand mehr vorstellen. Eine Pflicht für die Kinder ist das nicht. „Manchmal mögen die Kinder nicht, dann ist es halt so. Aber in der kurzen Pause könne sie alle abschalten, das ist wichtig“, findet Florian Trauner. Er ist Klassenleiter der 4. Klasse und vertritt Schulleiterin Gabriele Weikl, wenn sie in Regen an der Grundschule ist.

„Die Kinder fragen auch wirklich nach Liedern, schlagen eigene Lieder vor und wollen das integrieren“, erzählt Trauner. Auch Theater zählt in March zum Programm der Musikalischen Grundschule. „Ich bin nicht sonderlich musikalisch, habe aber Theater studiert“, erklärt Trauner. Zum Paket gehört hier beinahe alles, was kreativ ist – und den normalen Schulalltag auflockert. Wie genau eine Schule das umsetzt, bleibt der Schulleitung und den Lehrkräften überlassen.

„Musik tut gut. Da wird durchgeschnauft, und danach geht es weiter“, findet Lehrerin Erika Ertl.  „Es schweißt auch unfassbar zusammen. Durch Musik werden die sozialen Bindungen total gestärkt“, ergänzt Lehrerin Monika Schweikl,  „und durch die kreativen Pausen  schaffen die Schüler in allen Fächern mehr.“ Leiden muss Florian Trauner zufolge kein Fach  darunter – im Gegenteil. Musik erfülle auch eine inklusive Aufgabe: „Da kann jeder mitmachen – auf seine eigene Art und Weise“, schildert Trauner. „Jeder von uns macht positive Erfahrungen damit“, beschreibt Förderlehrerin Melanie Eibl-Friedrich.

Kürzlich hat   Bayerns  Kultusministerin Anna Stolz das neue Maßnahmenpaket für Grundschulen vorgestellt. Mit der „Pisa-Offensive Bayern“ reagierte sie auf schlechtere Leistungen bayerischer Schüler beim Lesen und Schreiben. Abhilfe sollen zusätzliche Mathematik- und Deutsch-Stunden leisten. Auf Kosten von Kunst, Musik und Werken. Bisher war die Stundentafel hier genau festgelegt, künftig soll es einen Fächerpool geben. Vier bis fünf Stunden pro Wochen stehen ab dem kommenden Schuljahr dafür zur Verfügung.

Die Kinder in Kirchdorf und March sind in Mathe und Deutsch dank der musikalischen Elemente eher besser als schlechter, so zumindest der Eindruck der Lehrer. „Wir werden unser Konzept rund um die musikalische Grundschule weiter durchziehen – einfach, weil wir davon überzeugt sind“, sagt Michaela Ertl-Altmann. Wie das neue Maßnahmenpaket konkret umgesetzt wird, sei ansonsten noch nicht besprochen. „Musikalische Rhythmisierung kann man immer machen – werden wir auch immer machen“, ergänzt Johanna Wurzer.

Die Veränderungen durch das Maßnahmenpaket  schätzt auch Florian Trauner eher gering ein.  „Es wird keine großen Veränderungen geben, weil jede Schule individuell entscheiden kann, wo sie ihre Schwerpunkte setzt“, sagt auch Schulleiterin Gabriele Weikl. „Fächer wie Musik, und das ist wissenschaftlich belegt, sind wichtig für die neuromuskuläre und kognitive Entwicklung des kindlichen Gehirns. Musik hat einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung von Arbeitsgedächtnis und Lernfähigkeit.“

Text und Bilder: Lea Arbinger/Passauer Neue Presse

 

Text und Bilder: Lea Arbinger/Passauer Neue Presse